Über 70 Jahre nach dem Erscheinen der Sprachtheorie Karl Bühlers liegt jetzt eine französische Übersetzung dieses Klassikers der Sprachwissenschaften vor. Sie ist in der Reihe Banc d’essais des Agone-Verlages erschienen, die sich in den letzten Jahren Autoren wie Karl Kraus, Moritz Schlick oder Ludwig Wittgenstein widmete, die für das philosophische und geisteswissenschaftliche Denken im Wien der 20/30er Jahre des 20. Jahrhunderts bedeutsam waren. So ist es nicht verwunderlich, daß das Vorwort von einem der bekanntesten Wittgenstein-Spezialisten Frankreichs, Jacques Bouveresse, verfaßt wurde. Er verortet Bühler in einer Denktradition, die vielleicht als „österreichische“ bezeichnet werden kann und nicht beim logischen Empirismus des Wiener Kreises, sondern bei Bolzano, Frege, Gomperz und auch bei Popper zu suchen ist.

Die Einleitung, von Janette Friedrich geschrieben, führt in Bühlers Leben und Werk ein und widmet sich dann dem zentralen Begriff der Darstellung, der in den gut etablierten pragmatischen und semiotischen Auslegungen der Sprachtheorie oft wenig Beachtung findet. Durch eine auf Bühlers Idee der Sprache als indirekt Darstellendes, als mit sprachlichen Mittlern arbeitendes mediales Gerät fokussierte Interpretation wird in der Sprachtheorie auf das aufmerksam gemacht, was als Alternative zur tradierten Opposition zwischen phänomenologischen und strukturalistischen Standpunkten diskutiert werden kann.

Die Lektüre der Übersetzung wird durch zahlreiche Bemerkungen des Übersetzers, Didier Samain, begleitet und erleichtert. Erstmals steht dem Leser ein ausführliches Glossar zur Verfügung, das nicht nur Definitionen der für die Sprachtheorie zentralen Begriffe enthält, sondern diese durch Verweise auf die jeweiligen Denktraditionen auch historisch situiert. Das Autoren- wie auch das Sachregister wurden erneuert und ergänzt, eine vollständige Bibliographie der von Bühler zitierten Schriften wurde beigefügt.